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AKTUELLES

Befristung nur „schriftlich“: Elektronische Unterschrift steht wirksamer Befristung eines Arbeitsverhältnisses entgegen

ArbG Berlin v. 28.09.2021

36 Ca 15297/20

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 28.09.2021 (Az.: 36 Ca 15297/20) festgestellt, dass ein beidseitig in einfacher elektronischer Form unterschriebener befristeter Arbeitsvertrag nicht der Formvorschrift des § 14 Abs. 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz genügt.

 

„Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.“ (§ 14 Abs. 4 TzBfG)

 

Vielfach werden – oftmals aus Kosten-/Effizienzgründen – befristete Arbeitsverträge einfach elektronisch signiert, um eine zügige Arbeitsaufnahme zu ermöglichen. Dabei zeigt sich, dass die deutsche Gesetzgebung auch hier noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen ist.

 

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 28.09.2021 in einer medienwirksamen Entscheidung hervorgehoben, dass eine einfache elektronische Signatur nicht das Formerfordernis für eine Befristung erfüllt. Dies hat zur Folge, dass ein unwirksam befristeter Arbeitsvertrag als unbefristet abgeschlossen gilt. Arbeitnehmer:innen müssen zur Durchsetzung jedoch beachten, dass gemäß § 17 TzBfG spätestens innerhalb von drei Wochen nach Ablauf der (vereinbarten) Befristung Entfristungsklage eingereicht werden muss. 

 

Qualifizierte elektronische Signatur genügt Schriftformerfordernis

 

Eine wirksame Befristung erfordert eine handschriftliche Unterschrift oder eine qualifizierte elektronische Signatur vor Arbeitsaufnahme, um der strengen Schriftform zu genügen. 

 

Eine qualifizierte elektronische Signatur ist ein spezielles Zertifizierungsverfahren, das auf Art. 28 ff. der EU-Verordnung über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt zurückzuführen ist. Die qualifizierte elektronische Signatur soll die Urheberschaft einer Erklärung in einem Dokument belegen.

 

Rechtsrisiken vermeiden

 

Die Rechtsfolge eines Verstoßes führt dazu, dass ein Arbeitsvertrag als auf unbestimmte Zeit, d.h. unbefristet, abgeschlossen gilt. Die Lösung des Arbeitsverhältnisses ist dann nur durch eine (wirksame) Kündigung möglich, was Arbeitgeber insbesondere bei Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes vor hohe Hürden stellen kann. 

 

Die Verlockung, auf digitale Arbeitspapiere zu setzen, um schneller, agiler, moderner und papierlos zu agieren, erscheint für viele Unternehmen attraktiv. Mit Blick auf die Risiken sollte jedoch dringend sichergestellt werden, dass befristete Arbeitsverträge vor Arbeitsaufnahme der strengen Schriftform entsprechend unterzeichnet werden. 

 

Änderungen in Sicht? 

 

Es besteht jedoch Hoffnung, dass der Gesetzgeber zumindest kleine Schritte in Richtung einer digitalen Arbeitswelt und digitaler HR-Prozesse ermöglicht. 

 

So hat sich Baden-Württemberg im Rahmen der 98. Arbeits- und Sozialministerkonferenz der Länder im Dezember 2021 für eine Überprüfung von Formerfordernissen im Arbeitsrecht eingesetzt, um die Bürokratie im Arbeitsrecht zu reduzieren. Alle Länder haben den Antrag angenommen. 

 

Gegenstand der Diskussionen während der Arbeits- und Sozialministerkonferenz waren insbesondere die Formerfordernisse des Teilzeit- und Befristungsgesetzes und des Arbeitszeitgesetzes (z.B. zur Vereinbarung von Mehrarbeit). 

 

Es bleibt abzuwarten, ob die Initiative einen Stein ins Rollen bringen kann und die neue Bundesregierung durch Anpassung von Gesetzen die Digitalisierung in der Arbeitswelt zumindest schrittweise ermöglicht. 

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Freizeit ist Freizeit: Keine Pflicht, Nachrichten des Arbeitgebers in Freizeit zu lesen

Eine kürzlich veröffentlichen Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein (Urteil v. 27.09.2022 – 1 Sa 39 öD/22) hat für Aufsehen gesorgt. Darin hat das LAG Schleswig-Holstein entschieden, dass Arbeitnehmer:innen nicht die kurzfristige Dienstplanänderungen zu beachten haben, die ihnen ihr Arbeitgeber während der Freizeit übermittelt.

 

Was war passiert? 

 

Der Notfallsanitäter, der sich in seiner Freizeit befand, hatte Anrufe des Arbeitgebers und SMS ignoriert. Darin hatte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer informiert, dass er kurzfristig den Dienstplan angepasst habe. Dies hatte zur Folge, dass der nächste Dienst des Notfallsanitäters früher als geplant starten sollte. Dieser nahm die SMS jedoch nicht wahr und erschien am nächsten planmäßigen Arbeitstag zu der ursprünglich im Dienstplan festgelegten Zeit. 

 

Der Arbeitgeber wertete das Nicht-Erscheinen zum neu zugewiesenen Dienst als unentschuldigtes Fehlen und „schickte den Arbeitnehmer nach Hause“. Er zog dem Arbeitnehmer die Arbeitszeit für den nicht angetretenen Dienst (zur geänderten Arbeitszeit) ab und sprach eine Abmahnung aus. 

 

Arbeitnehmer:innen müssen Arbeitgeber in Freizeit nicht zur Verfügung stehen

 

Das LAG Schleswig-Holstein gab dem Notfallsanitäter Recht und entschied, dass Arbeitnehmer:innen an ihren freien Tagen nicht verpflichtet seien, Nachrichten des Arbeitgebers zu lesen oder sich im Internet nach Änderungen des Dienstplans zu informieren. Tut Arbeitnehmer:innen dies nicht, könne man ihnen auch nicht vorhalten, die Änderungen nicht berücksichtigt zu haben. Etwas anderes gilt, wenn Mitarbeitende z.B. telefonisch erreicht werden oder die SMS lesen und somit von der Dienstplanänderung erfahren. Dann gilt die Dienstplanänderung als Anweisung im Sinne des Direktionsrechts (§ 106 GewO), die als empfangsbedürftige Willenserklärung zugegangen ist. 

 

Es sei aufgrund ihres Persönlichkeitsrechts Sache der Mitarbeitenden zu entscheiden, für wen sie in ihrer Freizeit erreichbar seien wollen und für wen nicht. 

 

In der Konsequenz musst der Arbeitgeber die Abmahnung aus der Personalakte entfernen und die Arbeitszeit wieder gutschreiben, da er sich seinerseits in Annahmeverzug befunden hatte. 

LAG Schleswig-Holstein v. 27.09.2022

1 Sa 39 öD/22

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Immer wieder im Blickpunkt: befristete Arbeitsverträge im Profifußball

ArbG Hannover v. 24.11.2020

13 Ca 67/20

Der Abschluss eines zeitlich befristeten Arbeitsvertrags ohne Sachgrund gemäß § 14 Abs. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz bietet viele Stolpersteine, die regelmäßig Gegenstand der Rechtsprechung sind. Nachdem das Bundesarbeitsgericht sich bereits mehrfach mit der Frage der Vorbeschäftigung auseinandergesetzt hat, die einer sachgrundlosen Befristung entgegensteht, hat das ArbG Berlin zuletzt festgestellt, dass eine elektronische Unterschrift nicht den Anforderungen an die Schriftform gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG genügt (vgl. ArbG Berlin v. 28.09.2021, Az. 36 Ca 15296/20). 

 

Dass eine sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags nur bis zur Dauer von maximal zwei Jahren zulässig ist, ergibt sich aus § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG, ist jedoch wiederholt im Zusammenhang mit befristeten Arbeitsverträgen im Profifußball rechtlich geprüft worden. Im Profisport ist es übliche Praxis, dass Spieler, Trainer und andere Funktionäre mit zeitlich befristeten Arbeitsverträgen ausgestattet werden. Dies ermöglicht den Vereinen und Verbänden, die Verträge bei ausbleibendem Erfolg auslaufen zu lassen und sich derart vom Personal zu trennen, was nicht länger erwünscht ist. 

 

2014 erlangte der Fall des Fußballprofis Heinz Müller vom FSV Mainz 05 mediale Aufmerksamkeit. Hintergrund war die Klage des damaligen Spielers gegen die Befristung seines insgesamt fünfjährigen ausgelaufenen Arbeitsvertrags, der das Arbeitsgericht Mainz stattgegeben hatte. Diese Entscheidung wurde zwar anschließend vom Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 16.01.2018 (Az.: 7 AZR 312/16) aufgehoben, allerdings hatte bereits eine große rechtliche Diskussion zu den Besonderheiten im Profisport stattgefunden, die letztlich auch nach Ansicht des BAG eine Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG rechtfertigte. 

 

Das BAG stellte heraus, dass es in der Natur des Profisports liege, dass Spieler:innen lediglich für einen begrenzten Zeitraum Höchstleistungen erbringen können und ein berechtigtes Interesse dafür bestehe, eine Bindung bis zum Renteneintritt durch zeitliche Befristungen zu vermeiden. Vor diesem Hintergrund sei eine zeitliche Befristung auch über einen Zeitraum von zwei Jahren wegen der Eigenart der geschuldeten Arbeitsleistung gerechtfertigt. 

 

Das Arbeitsgericht Hannover hat nunmehr mit Urteil vom 24.11.2020 (Az: 13 Ca 67/20) festgestellt, dass diese Rechtsprechung des BAG nicht auf die Befristung eines Sportdirektors übertragbar sei. Der damalige Sportdirektor, Jan Schlaudraff, hatte u.a. gegen die Befristung seines Arbeitsverrtags geklagt. Ein Sportdirektor, der insbesondere kaufmännische Aufgaben wahrnehme und den Kader der Mannschaft zusammenstellt, sei nach Ansicht des Arbeitsgerichts Hannover gerade nicht derart von seiner körperlichen Fitness abhängig, so dass seine Arbeitsaufgaben keine besondere Eigenart aufweisen würden, die eine zeitliche Befristung (über den Zeitraum einer sachgrundlosen Befristung hinaus) rechtfertigen.

 

Das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover hat hohe Relevanz für die Praxis im Profisport. Vereine und Verbände werden bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung bei der Befristung von Arbeitsverträgen für Funktionäre stets mit dem Risiko konfrontiert sein, dass die – in der Praxis übliche – Befristung unwirksam ist. Kreative Wege werden gefordert sein, um dieses Risiko zu vermeiden und vorzeitige Trennungen zu ermöglichen.

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Kündigung wirksam?: Anforderungen an die Unterschrift einer Kündigung

Rechtsstreitigkeiten über die Wirksamkeit von Kündigungen machen den Großteil der Verfahren vor den Arbeitsgerichten aus. Regelmäßig scheitern Kündigungen bereits an den formalen Anforderungen. Besonders ärgerlich für Arbeitgeber ist es, wenn die Unwirksamkeit sich bereits aus dem Kündigungsschreiben selbst ergibt, z.B. weil nicht die richtige (vertretungsberechtigte) Person unterschrieben hat oder die Kündigung nicht dem Schriftformerfordernis des §§ 623, 126 BGB genügt. 

 

Schriftlich i.S.v. § 126 BGB heißt handschriftlich unterschrieben

 

Immer wieder kommt es vor, dass Kündigungsschreiben digital unterschrieben oder lediglich per Scan und E-Mail verschickt werden. Damit scheitern Arbeitgeber bereits an der ersten Hürde auf dem Weg zu einer wirksamen Kündigung, auch wenn ein Kündigungsgrund gegeben ist. 

 

Das Schriftformerfordernis nach §§ 623, 126 BGB, das übrigens für jede Art der Beendigung von Arbeitsverhältnissen gilt (also auch für Aufhebungsverträge), setzt voraus, dass die Kündigung handschriftlich unterschrieben wurde. Die handschriftlich unterschriebene Urkunde muss sodann an den zu kündigenden Mitarbeitenden übergeben werden. Erst mit dem Zugang der Kündigung beim Mitarbeitenden ist die Kündigung rechtliche betrachtet „in der Welt“. Zu der Frage, wie eine Kündigung rechtssicher zugestellt werden kann, hatte ich bereits informiert. 

 

Vorsicht bei der Unterschrift mit verkürztem Namenszeichen

 

Zwar schreibt das Gesetz nicht vor, wie eine Unterschrift auszusehen hat, jedoch hat das LAG Hamm mit Urteil vom 28.06.2022 (Az.: 17 Sa 1400/21) ein Kündigungsschreiben für unwirksam erachtet, dass es für nicht unterschrieben i.S.v. § 126 BGB hielt. Das Schreiben sei lediglich mit einem kurzen Schriftzeichen versehen, das den Namen nicht erkennen lasse und allenfalls einzelne Buchstaben darstelle. Eine Paraphe genüge dem Schriftformerfordernis nicht. Handzeichen, die allenfalls einen Buchstaben verdeutlichen oder Unterzeichnungen mit Buchstabenfolgen, die erkennbar Namensabkürzungen darstellen, stellen keine formgültige Unterschrift dar (vgl. BGH v. 15.11.2006 – IV ZR 122/05). Erschwerend kam hinzu, dass der vermeintlich Unterschreibende auf anderen Dokumenten eine deutlich längere Unterschrift nutze.

 

Auch das LAG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil v. 26.10.2022 – 3 Sa 79/22) hatte dies nochmal ausgearbeitet und klargestellt, dass ein Mindestmaß an Erkennbarkeit der Buchstaben und der Vollständigkeit des Namens in Abgrenzung zu einer Paraphe für die Unterschrift erforderlich ist. 

 

Stellen Sie daher stets sicher, dass das Kündigungsschreiben von der richtigen, vertretungsberechtigten Person (ggf. unter Beifügung der Vertretungsvollmacht) auch richtig unterschrieben ist, um „böse Überraschungen“ zu vermeiden. 

LAG Hamm v. 28.06.2022

17 Sa 1400/21

LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 26.10.2022

3 Sa 79/22

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Rechtssicherheit geht vor: Welche Stolperfallen es für Arbeitgeber bei der Zustellung von Kündigungen gibt

Nach Ausspruch einer Kündigung durch den Arbeitgeber kommt es – zumindest bei Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes – regelmäßig zu einer Kündigungsschutzklage und einem arbeitsgerichtlichen Bestandsschutzverfahren. 

 

Dabei trifft den Arbeitgeber stets die Darlegungs- und Beweislast, dass ein (formgerechtes) Kündigungsschreiben an die betroffene Arbeitnehmer:in zugestellt wurde und wann die Zustellung erfolgt ist. Hintergrund ist, dass empfangsbedürftige Willenserklärungen, wozu der Ausspruch einer Kündigung zählt, gemäß § 130 BGB erst mit Zugang beim Erklärungsempfänger (in diesem Fall der Arbeitnehmer:in) wirksam werden. Möchte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis wirksam kündigen, ist der Zugang der Kündigung bei der Arbeitnehmer:in somit erste Grundvoraussetzung. 

 

Neben der Tatsache, dass die Kündigung überhaupt zugegangen ist, kann auch der Zeitpunkt des Zugangs von großer Bedeutung sein, da erst mit dem Zugang der Kündigung die Kündigungsfrist zu laufen beginnt und sich ggf. Folgefragen ergeben können, die an den Zeitpunkt des Kündigungszugangs anknüpfen, z.B. ob eines außerordentliche Kündigung innerhalb der zweiwöchigen Ausschlussfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB erfolgte, ob aufgrund eines verspäteten Zugangs ggf. die verlängerten Kündigunsfristen des § 622 Abs. 2 BGB gelten, wie hoch die (Rest-)Urlaubsansprüche der gekündigten Arbeitenehmer:in nach § 5 Abs. 1 BUrlG sind etc.

 

Einschreiben ist nicht gleich Einschreiben

 

Trotz der gehörigen Bedeutung wird die Zustellung der Kündigung immer wieder von Arbeitgebern vernachlässigt. Dies ist aufgrund der erheblichen Bedeutung des Zugangs der Kündigung und vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Arbeitgeber im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutzprozesses ebendiesen Zugang und den Zeitpunkt des Zugangs darlegen und beweisen muss, erstaunlich.

 

Immer wieder greifen Arbeitgeber zu dem Mittel „Einschreiben“, um vermeintlich rechtssicher beweisen zu können, dass die Kündigung zugegangen ist. Die Rechtsprechung zeigt, dass dies alleine nicht genügt. So hat sich das LAG Baden-Württemberg zuletzt mit Urteil vom 17.09.2020 (Az.: 3 Sa 38/19) mit der Frage beschäftigt, wie der Arbeitgeber den Zugang eines Einwurf-Einschreibens zu beweisen hat. Dies war dem Arbeitgeber in dem vom LAG Baden-Württemberg entschiedenen Fall nicht gelungen, so dass die Kündigung unwirksam war.

 

Zunächst ist zwischen Übergabe-Einschreiben und Einwurf-Einschreiben zu unterscheiden. 

 

Beim Übergabe-Einschreiben wird die Sendung von der zustellenden Postmitarbeiter:in nur im Rahmen einer persönlichen Übergabe zugestellt. Ein Kündigungsschreiben würde in diesem Fall bei Übergabe zugehen. Ein Einwurf in den Briefkasten erfolgt anders als beim Einwurf-Einschreiben, bei dem die Zustellung – wie der Namen schon sagt – durch den Einwurf in den Briefkasten erfolgt, nicht. Kann der Zustellende eines Übergabe-Einschreibens den Empfänger nicht antreffen, wird lediglich ein Abholschein im Briefkasten deponiert. Die Sendung wird sodann regelmäßig in eine nahe gelegene Postfiliale verbracht und dort zur Abholung hinterlegt. Im Falle einer Kündigung führt dies dazu, dass diese erst mit Abholung durch den Empfänger zugeht, nicht etwa durch den Einwurf des Abholscheins in den Briefkasten (vgl. BAG v. 25.04.1996 – 2 AZR 13/95; LAG Hamburg v. 08.04.2015 – 5 Sa 61/14). Folgefragen und Rechtsrisiken können sich dann ergeben, wenn die Arbeitnehmer:in trotz Abholschein das Übergabe-Einschreiben nicht in der Postfiliale abholt.

 

Beim Einwurf-Einschreiben erfolgt der Zugang dagegen durch Einwurf in den Briefkasten des Empfängers bzw. in dem Zeitpunkt, in dem mit der nächsten Leerung des Briefkastens zu rechnen ist (vgl. BAG v. 22.03.2012 - 2 AZR 224/11; BAG v. 08.12.1983 - 2 AZR 337/82). 

 

Beweiswert vom Sendungsstatus des Einwurf-Einschreibens

 

Unsicherheiten können sich allerdings auch beim Einwurf-Einschreiben hinsichtlich der Beweisbarkeit der Zustellung und somit dem für die Wirksamkeit der Kündigung erforderlichen Zugang des Kündigungszugangs ergeben, dass der Arbeitgeber vor Gericht zu beweisen hat. So ist die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung uneinheitlich bei der Bewertung, ob die Vorlage eines Ein- und Auslieferungsbelegs eines Einwurf-Einschreibens einen Anscheinsbeweis für die erfolgreiche Zustellung begründet. Sicherheitshalber bietet es sich an, den Mitarbeiter der Post, der die Sendung zugestellt hat, hier namentlich als Zeugen zu benennen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz v. 17.09.2019 – 8 Sa 57/19; LAG Düsseldorf v. 24.10.2018 – 12 Sa 106/18).

 

Nicht ausreichend jedenfalls ist nach der Entscheidung des LAG Baden-Württemberg vom 17.09.2020 (Az.: 3 Sa 38/19) die bloße Vorlage des Einlieferungsbelegs und des „Sendungsstatus“ der Sendungsnummer des Einlieferungsbelegs gemäß Nachverfolgung. Im Gegensatz zum Auslieferungsbeleg, der gegen Zahlung einer Gebühr nach der Zustellung gesondert bei der Deutschen Post als digitale Reproduktion angefragt werden kann, enthält der Sendungsstatus nicht den Namen des Zustellers und eine Unterschrift mit der dieser beurkundet, die Sendung eingeworfen zu haben. Dies hält das LAG Baden-Württemberg jedoch für zwingend erforderlich, um überhaupt bewerten zu können, ob die Angaben einen Anscheinsbeweis begründen. Darüber hinaus erfährt man ohne den Auslieferungsbeleg auch nicht den Namen des Zustellenden, so dass eine Benennung als Zeuge somit auch nur mit Auslieferungsbeleg möglich ist.

 

Beweisketten sind unerlässlich

 

Doch auch, wenn der Zugang der Sendung durch Vorlage von Einlieferungs- und Auslieferungsbeleg und Benennung des Zustellenden als Zeugen gelingt, so kommt es bei spitzfindigen Arbeitnehmer:innen oder deren Prozessbevollmächtigten hin und wieder vor, dass bestritten wird, dass es sich bei der zugestellten Sendung um ein Kündigungsschreiben hielt. Schließlich hat der Arbeitgeber nicht der Zugang irgendeiner Sendung zu beweisen, sondern der Zugang des Kündigungsschreibens. Da der Ein- und Auslieferungsbeleg des Einwurf-Einschreibens nichts zu dem Inhalt der zugestellten Sendung aussagt, ist arbeitgeberseitig zwingend eine Beweiskette sicherzustellen, um derartigen Bestreiten entgegenzutreten.

 

Derjenige, der das Kündigungsschreiben in einem Umschlag an die Post übergibt und von dieser den Einlieferungsbeleg für das Einwurf-Einschreiben erhält, muss den Inhalt des Schreibens kennen. Idealerweise stellt der Arbeitgeber daher sicher, dass derjenige, der das Kündigungsschreiben an die Post übergibt, dies eigenhändig in den Briefumschlag eingetütet hat. Alternativ kann ein Bote, z.B. ein eigener Mitarbeiter, der den Inhalt des Schreibens kennt, die Kündigung zustellen und im Rahmen eines Gerichtsverfahrens als Zeuge für den Zugang der Kündigung benannt werden, um „böse Überraschungen“ zu vermeiden.

 

Im Ergebnis zeigt sich, dass bereits bei der Übermittlung des Kündigungsschreibens sorgfältig vorgegangen werden muss. Fehler, die bei der Zustellung erfolgen sind nicht nur ärgerlich. Sie können entscheidend für den Ausgang eines Rechtsstreits sein und stellen somit auch ein erhebliches Kostenrisiko dar.

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